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Der abweisend vermeidende Bindungsstil: Emotionale Distanz und ihre Ursprünge

  • sattleringrid
  • 29. Aug.
  • 3 Min. Lesezeit

Der abweisend vermeidende Bindungsstil ist ein komplexes und vielschichtiges Beziehungsmuster, das geprägt ist von einem starken Bedürfnis nach Autonomie und emotionaler Distanz. Menschen mit diesem Bindungsstil schirmen sich häufig gegen Nähe ab, weil sie Angst vor Verletzlichkeit, Kontrolle und Abhängigkeit empfinden. Dieses Verhalten hat seine Wurzeln in frühen Kindheitserfahrungen, in denen ihre emotionalen Bedürfnisse entweder missachtet oder bestraft wurden, was zur Folge hat, dass Gefühle wie Schmerz, Trauer oder Angst als Schwächen interpretiert werden.


Typische Verhaltensweisen in Beziehungen


Betroffene zeigen oft ein ambivalentes Verhalten in Beziehungen. Sie wünschen sich Nähe, ziehen sich aber zurück, sobald die Beziehung emotional intensiver wird. Dieses Wechselspiel erzeugt eine Abwärtsspirale aus Misstrauen und Rückzug, die viele Partnerschaften mit abweisend vermeidenden Bindungstypen prägt.


Die Rolle der kindlichen Prägung


Diese Bindungsmuster sind eng mit der frühen Familiendynamik verbunden. In Familien, in denen emotionale Wärme fehlt und Gefühle abgewertet oder ignoriert werden, entwickeln Kinder den Glauben: „Ich kann nur auf mich selbst zählen.“

Typischerweise erleben sie Eltern, die emotional distanziert oder kontrollierend sind. Aussagen wie „Reiß dich zusammen“ vermitteln, dass Gefühle eine Schwäche sind, was dazu führt, dass Betroffene in späteren Beziehungen emotional erstarren und Empathie als Risiko erleben.

Neurowissenschaftliche Studien zeigen, dass diese frühen Erfahrungen die Entwicklung von Hirnregionen beeinflussen, die für emotionale Regulation zuständig sind. Das führt dazu, dass Betroffene Emotionen eher kognitiv kontrollieren und unbewusst unterdrücken, um Schmerz zu vermeiden (Diamond, Hicks & Otter-Henderson, 2006; Diamond & Fagundes, 2010).


Deaktivierungsstrategien als Schutzmechanismen


Um sich vor emotionaler Überforderung zu schützen, nutzen Menschen mit abweisend vermeidendem Bindungsstil verschiedene Deaktivierungsstrategien, darunter:

  • Ambivalente Annäherung und gleichzeitiger Rückzug (Approach-Avoidance-Verhalten)

  • Kritik und Fokussierung auf vermeintliche Schwächen des Partners

  • Idealisierung früherer Beziehungen

  • Geheimhaltung und plötzliche Kontaktabbrüche bei emotionalem Druck


Diese Strategien verhindern emotionale Verletzungen und bewahren ein Gefühl von Kontrolle, führen aber häufig zu instabilen Beziehungsstrukturen.


Haupt-Trigger emotionaler Verletzungen


Typische Auslöser für Rückzug und Erstarrung bei diesem Bindungsstil sind:

  • Emotionale Ausbrüche und Konflikte, die das Bedürfnis nach emotionaler Stabilität stören

  • Kritik, die tiefe Schamgefühle auslöst

  • Erwartungen an emotionale Offenheit, die als Kontrollverlust erlebt werden

  • Das Gefühl, für eigene Bemühungen nicht gesehen oder wertgeschätzt zu werden

  • Wahrgenommenes Übertreten persönlicher Grenzen, das zu innerem Groll führt


Diese Situationen aktivieren Stressreaktionen, die neurologisch messbar sind und die emotionale Abwehr verstärken (Fraley & Shaver, 1997).


Innere Gedankenwelt und gesellschaftliche Konsequenzen


Menschen mit diesem Bindungsstil würden sagen: „Ich brauche Zeit und Raum, um mich zu öffnen, weil ich gelernt habe, mich nur auf mich selbst verlassen zu können.“

Die Präferenz für klare, sachliche Kommunikation und die Angst, Fehler zu machen, erschweren oft das Ausdrucksvermögen. Zuneigung äußert sich meist durch Taten statt Worte.

Wissenschaftliche Untersuchungen weisen darauf hin, dass dieser Bindungsstil durch ein positives Selbstbild, aber ein negatives Fremdbild geprägt ist, was dazu führt, dass Nähe vermieden und eigene Bedürfnisse unterdrückt werden (Bartholomew, 1990; Bartholomew & Horowitz, 1991).


Therapie und Veränderungschancen


Die Veränderung des abweisend vermeidenden Bindungsstils ist möglich und umfasst Maßnahmen zur Herstellung von innerer Sicherheit und Vertrauen. Therapeutische Ansätze wie die emotionsfokussierte Therapie, kognitive Verhaltenstherapie oder Schematherapie helfen, negative Glaubenssätze aufzulösen und emotionale Offenheit schrittweise zu fördern.

Wichtig ist dabei respektvoll mit dem Tempo der Betroffenen umzugehen und Sicherheit zu geben, um eine nachhaltige Veränderung sicherzustellen (Hazan & Shaver, 1987; Feeney & Noller, 1992).

 

Literaturangaben:

  • Bartholomew, K. (1990). Avoidance of intimacy: An attachment perspective. Journal of Social and Personal Relationships, 7(2), 147-178.

  • Bartholomew, K., & Horowitz, L. M. (1991). Attachment styles among young adults: A test of a four-category model. Journal of Personality and Social Psychology, 61(2), 226-244.

  • Diamond, L. M., Hicks, A. M., & Otter-Henderson, K. D. (2006). Physiological evidence for repressive coping among avoidantly attached adults. Journal of Social and Personal Relationships, 23(4), 573-590.

  • Diamond, L. M., & Fagundes, C. P. (2010). Psychobiological research on adult attachment: Advances, limitations, and future directions. Attachment & Human Development, 12(3), 227-254.

  • Feeney, J. A., & Noller, P. (1992). Attachment style as a predictor of adult romantic relationships. Journal of Personality and Social Psychology, 62(4), 686-684.

  • Fraley, R. C., & Shaver, P. R. (1997). Adult attachment and the suppression of unwanted thoughts. Journal of Personality and Social Psychology, 73(5), 1080-1091.

  • Hazan, C., & Shaver, P. (1987). Romantic love conceptualized as an attachment process. Journal of Personality and Social Psychology, 52(3), 511-524.


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