top of page

Der ängstlich über-involvierte Bindungsstil: Eine tiefe innere Wunde verstehen

  • sattleringrid
  • 28. Aug.
  • 3 Min. Lesezeit

Viele Menschen, die sich in ihren engen Beziehungen häufig unsicher, ängstlich und überengagiert erleben, leben mit einem sogenannten ängstlich über involvierten Bindungsstil. Dabei spiegelt sich eine tief verwurzelte, unterbewusste Verletzung wider, nämlich der Glaube, die Liebe und Zuneigung anderer Menschen langfristig zu verlieren und somit nicht liebenswert oder unzulänglich zu sein. Dieser Bindungsstil prägt das emotionale Erleben und Verhalten im Alltag, besonders in Beziehungen, auf eine sehr intensive Weise.


Familiäre Prägung: Wie Kindheit den Startpunkt für den Bindungsstil markiert


Menschen mit einem ängstlich über-involvierten Bindungsstil hatten in der Regel zumindest eine gewisse, liebevolle Bezugsperson in der Kindheit. Doch diese Person war oft unzuverlässig erreichbar, beeinflusst von eigenen emotionalen Herausforderungen oder familiären Dynamiken. Studien zeigen, dass Kinder in solchen Umfeldern früh lernen, die Bedürfnisse anderer über ihre eigenen zu stellen, um Bindung und Aufmerksamkeit zu sichern (Fern, 2020).

Häufig entstand ein innerer Kampf um die begrenzte Zuneigung, beispielsweise in Familien mit einem emotional abwesenden, leistungsorientierten Vater und einer unsicheren, überforderten Mutter. Dieses Umfeld fördert tiefgehende Ängste, nicht genug zu sein oder nicht geliebt zu werden, was den ängstlich über involvierten Bindungsstil prägt.


Intime Beziehungen: Die Herausforderung, Nähe zu suchen und gleichzeitig zu fürchten


Erwachsene mit diesem Bindungsstil neigen dazu, sich in Beziehungen übermäßig aufzuopfern und ständig um die Bestätigung des Partners zu ringen. Die Angst vor Verlassenwerden führt zu einem „Love-Addict“-Verhalten. Das ist eine Abhängigkeit von Zuwendung und Nähe. Wissenschaftliche Untersuchungen bestätigen, dass solche Personen aufgrund ihrer Hyperaktivierung des Bindungssystems besonders sensitiven auf wahrgenommene Veränderungen im Verhalten des Partners reagieren (Levine & Heller, 2010; Ka et al., 2020).

Oft zieht diese innere Angst aber genau jene Partner an, die emotionale Distanz suchen oder narzisstische Tendenzen aufweisen, was die Ängste weiter verstärkt. Hypersensibilität für die Befindlichkeiten des Gegenübers und die Vernachlässigung eigener Bedürfnisse sind typische Merkmale, die zu einem gefährlichen Ungleichgewicht in der Beziehung führen können.


Quälende Trigger: Wenn alte Ängste wieder hochkochen


Die Hauptauslöser für Ängste bei Menschen mit ängstlich über-involviertem Bindungsstil sind Glaubenssätze wie „Ich bin nicht gut genug“ und „Ich werde verlassen“. Diese inneren Überzeugungen erzeugen eine Daueranspannung und führen zu starkem Stress, sobald sie aktiviert werden. Besonders problematisch sind Situationen, in denen der Partner sich vermeintlich distanziert verhält, Zeiten des Alleinseins oder das Gefühl, nicht wahrgenommen oder ausgeschlossen zu werden. Studien legen nahe, dass diese Personen Schwierigkeiten haben, ihre Emotionen zu regulieren und neigen verstärkt zu Eifersucht, Konflikten und einer übermäßigen Suche nach Nähe (Fern, 2020; Moors et al., 2015).


Die Botschaft an den Partner: Verständnis als Brücke zur Heilung


Für Partner eines Menschen mit ängstlich über-involviertem Bindungsstil ist es essenziell, die tiefen Ängste und Bedürfnisse zu verstehen. Eine klare, zuverlässige Kommunikation, gemeinsame Planung und kleine liebevolle Gesten schaffen Sicherheit. Die betroffene Person braucht eine verlässliche Beziehungserfahrung, um zu lernen, dass sie nicht ständig Kampf oder Flucht erleben muss. Die Fähigkeit, sich selbst emotional zu beruhigen, ist ein wichtiger Teil des Heilungsprozesses und kann durch Unterstützung des Partners gefördert werden.


Wege aus der Angst: Selbstbewusst und sicher werden


Der wichtigste Schritt für Betroffene ist die bewusste Wahrnehmung der eigenen Gefühle und deren Ursprünge. Therapie- und Coachingansätze empfehlen, sich mit den Angstsymptomen ohne Bewertung auseinanderzusetzen und die Gegenwart klarer von der Kindheitsrealität zu unterscheiden. Studien zeigen, dass durch regelmäßige Selbstreflexion und Achtsamkeitsübungen die Hyperaktivierung des Bindungssystems reduziert werden kann (Mikulincer & Shaver, 2003).

Auch das Erlernen von Selbstberuhigungsstrategien stärkt die Eigenständigkeit und das Vertrauen in die eigenen Bedürfnisse. Ein realistischer Realitätscheck hilft, Ängste als das zu erkennen, was sie sind, ohne sofort in alte Muster zurückzufallen.

 

Die Wissenschaft unterstreicht, wie tief verwurzelt der ängstlich über-involvierte Bindungsstil in der frühen emotionalen Entwicklung liegt und wie er durch familiäre Dynamiken geformt wird. Das komplexe Zusammenspiel von Angst vor Verlust, Hypervigilanz gegenüber der Beziehungssituation und emotionaler Überforderung erfordert sowohl Verständnis als auch gezielte Strategien zur Selbstregulation. Mit dem richtigen Support und Bewusstsein ist es möglich, aus dem Schatten dieser Angst herauszutreten und gesunde, stabile Bindungen aufzubauen.

 

Quellen:

  • Fern, E. (2020). Bindung und ihre Auswirkung auf Beziehungsdynamiken.

  • Levine, A., & Heller, R. (2010). Attached: The New Science of Adult Attachment and How It Can Help You Find—and Keep—Love.

  • Moors, A.C., et al. (2015). Attachment styles and relationship dynamics.

  • Mikulincer, M., & Shaver, P.R. (2003). The Attachment Behavioral System in Adulthood: Activation, Psychodynamics, and Interpersonal Processes.

  • Ka, S., et al. (2020). Attachment anxiety and stress response in romantic relationships.

 

ree

 
 
illustration_2_rot.png

Erkennst du dich in diesen Themen wieder und möchtest mit mir ins Gespräch kommen?

Ich begleite dich gerne auf deinem Weg: 

+43 (0)699 16993669 // info@empowerment-coaching.at

bottom of page