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Die 3 unsicheren Bindungsstile: Wie unsere frühen Erfahrungen Beziehungen prägen

  • sattleringrid
  • 27. Aug.
  • 4 Min. Lesezeit

Dieser Beitrag bietet neben einem umfassenden Überblick auch wissenschaftlich fundierte Einblicke, die helfen, eigene Beziehungsmuster besser zu verstehen und Wege aus der Unsicherheit zu finden.

 

Die Bedeutung der ersten Beziehungen: Fundament für Liebe und Bindung


Unsere allerersten Beziehungen zu Eltern oder anderen Bezugspersonen prägen unser inneres Bild von Nähe, Liebe und Sicherheit – und beeinflussen maßgeblich, wie wir uns später auf Partner und Partnerinnen einlassen. Dieses innere Modell von Bindung steuert weitgehend unser Verhalten in intimen Beziehungen, indem es Erwartungen, Emotionen und Reaktionen auf Nähe mitformt.

Die Entwicklungspsychologin Mary Ainsworth hat mit ihren wegweisenden Studien – vor allem der sogenannten „Strange Situation“ – gezeigt, wie verschieden sich Kinder in intimen Beziehungen verhalten, abhängig von der Qualität ihrer frühen Bindung. Ihr Testverfahren dokumentierte, wie Kinder auf das Vorübergehen ihrer Mutter reagieren und inwieweit sie Sicherheit und Exploration miteinander vereinbaren können.

Sind frühe Bindungserfahrungen liebevoll und verlässlich, entwickelt das Kind ein Gefühl von Sicherheit, das es ihm erlaubt, seine Umwelt neugierig zu erkunden und Nähe zu besitzen, ohne sich verloren zu fühlen. Doch wenn Prägungen unsicher, ängstlich oder ablehnend sind, spiegeln sich diese Muster später in konfliktreichen Beziehungen und innerer Unruhe wider.

 

Die 3 Haupttypen unsicherer Bindung


Ainsworth und ergänzende Forscher beschrieben drei wichtige Formen unsicherer Bindung, die in der Kindheit entstehen und bis ins Erwachsenenalter wirken. Jede Variante beeinflusst auf eigene Weise, wie Menschen Nähe zulassen und sich emotional öffnen.


1. Ängstlich-ambivalente Bindung (auch ängstlich-vermeidender Stil)


Kinder mit diesem Muster zeigen extreme Stressreaktionen bei Trennung, sind aber zugleich unsicher bei der Wiedervereinigung. Sie „klammern“ und suchen intensiv Nähe, haben jedoch Angst, dass diese Bindung nicht verlässlich ist. Erwachsene mit dieser Prägung erleben häufig das Gefühl, kaum genug geliebt oder nicht dauerhaft angenommen zu werden. Sie sehnen sich nach Nähe, klammern oft und interpretieren kleine Zurückweisungen schnell als Beweis fehlender Liebe.

Diese Unsicherheit korreliert wissenschaftlich mit einer überhöhten Aktivierung des Bindungssystems und einer fragilen emotionalen Regulation.


2. Ängstlich-vermeidende Bindung (auch „flacher“ oder vermeidender Stil)


Kinder in dieser Kategorie zeigen bei Trennung kaum sichtbare Reaktion und meiden bei Wiedersehen den direkten Kontakt zur Bezugsperson. Dieses Verhalten ist ein Schutzmechanismus gegen die Angst vor Zurückweisung. Erwachsene mit dieser Bindungstendenz vermeiden Nähe, halten emotionale Distanz und neigen dazu, sich von intensiven Gefühlen abzukapseln.

Studien belegen, dass Menschen mit vermeidendem Bindungsmuster häufig Schwierigkeiten haben, Intimität zuzulassen, und Bindungen schnell abbrechen oder sabotieren, um nicht verwundbar zu sein.


3. Ängstlich-überinvolvierte Bindung (auch abhängig-ängstlicher Stil)


Diese Form zeichnet sich durch ein hohes Maß an Fürsorgebedürftigkeit, Routinen der Überanpassung und eine ausgeprägte Angst vor Trennung aus. Personen mit diesem Stil sind sehr auf den Partner bzw. die Partnerin fokussiert, verlieren jedoch dabei leicht die eigene Identität. Sie streben nach ständiger Bestätigung, zeigen oft hilfloses oder unselbstständiges Verhalten und empfinden sich ohne die Nähe des Gegenübers als verloren.

Diese Bindungsform ist eng verwandt mit codivergenden Persönlichkeitsmustern und oft mit sozialer Ängstlichkeit verbunden.

 

Bindungsmuster als Spiegel der Kindheit: Warum alte Wunden Beziehungen prägen


Unsere Bindungsstile sind kein Schicksal, aber tiefe Prägungen. Unsichere Bindungsmuster entstehen häufig durch traumatische, inkonsistente oder emotional distanzierte Erziehung. Dabei haben Kinder keine andere Wahl, als sich diesen Bedingungen anzupassen, um gesehen, geliebt oder zumindest nicht verlassen zu werden.

Romantische Beziehungen werden oft unbewusst zur Bühne, auf der diese frühen Erfahrungen „wiederholt“ werden – der Versuch, unerfüllte Bedürfnisse nach Sicherheit, Anerkennung und Liebe endlich zu stillen.

Dieser Prozess bleibt vielen verborgen: Sie spüren Konflikte, Ängste und Nähevermeidung, können diese jedoch nicht ihren Ursprüngen zuordnen. Moderne Bindungsforschung betont daher, wie entscheidend es für Heilung ist, sich dieser Muster bewusst zu werden und neue, sichere Bindungserfahrungen zu machen.

 

Bindungsstile und Persönlichkeitsentwicklung


Psychische Forschung kennt inzwischen eine große Bandbreite von Bindungsmustern, die auf einer Skala verlaufen. Am einen Ende stehen sichere Bindung und seelisches Wohlbefinden, am anderen unstrukturierte oder „desorganisierte“ Bindung, die mit schwerwiegenden psychosozialen Problemen verbunden ist.

Bis vor kurzem wurden Persönlichkeitsstörungen nach ICD-10 in Cluster A, B und C kategorisiert, die eng mit unsicheren Bindungsmustern korrespondieren. Neuere Klassifikationen (ICD-11) verstehen diese Störungen eher als „Beziehungsphänomene“ mit posttraumatischem Charakter, was die Bedeutung von Bindung und Trauma in der Psychopathologie ins Zentrum rückt.

Eine gesunde Persönlichkeitsentwicklung hängt deshalb untrennbar mit sicheren Bindungen und der Fähigkeit zur emotionalen Selbstregulation zusammen.

 

Wege aus der Unsicherheit: Heilung braucht Mut und Reflexion


Wenn du deine Beziehungen als belastend, konfliktreich oder von Angst geprägt empfindest, kann das ein Indiz für unsichere Bindung sein. Doch diese Muster sind nicht in Stein gemeißelt.

Der wichtigste Schritt ist, sich ehrlich mit den eigenen Ängsten, Bedürfnissen und Glaubenssätzen auseinanderzusetzen – etwa durch Psychotherapie, Coaching oder bewusste Selbstreflexion. Mut, Offenheit und kontinuierliche Arbeit an sich selbst eröffnen die Chance, sich emotional neu zu verankern und erfüllte, gesunde Partnerschaften zu führen.

Sich von alten Mustern zu lösen bedeutet auch, Nähe und Autonomie auszubalancieren, Verletzlichkeit zuzulassen und sich an Verbindlichkeit zu gewöhnen. Das ist oft herausfordernd, aber essenziell für ein glückliches und psychisch gesundes Leben.

 

Unsere frühen Bindungen prägen, wie wir als Erwachsene lieben und geliebt werden wollen – sicher oder unsicher, offen oder vermeidend. Die drei unsicheren Bindungsstile sind hilfreiche Konzepte, um sich selbst und seine Beziehungsmuster besser zu verstehen. Doch die Wissenschaft macht auch Hoffnung: Bindungen sind lernbar, veränderbar und Grundlage für persönliche Heilung und Wachstum.


Quellen und weiterführende Literatur:

  • Mary Ainsworth & John Bowlby: Grundlagen der Bindungstheorie

  • Bindungsforschung (Grossmann & Grossmann, Bretherton, Main)

  • Neuere Einblicke zur ICD-11 und Persönlichkeitsentwicklung



ree

 
 
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