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Die Bedeutung von Traumabonding und Stockholm-Syndrom in narzisstischen Beziehungen

  • sattleringrid
  • 20. Juli
  • 5 Min. Lesezeit

Aktualisiert: 21. Juli

Schritt für Schritt von narzisstischem Missbrauch heilen: Teil 2


Traumabonding und das Stockholm-Syndrom sind zwei psychologische Phänomene, die erklären können, warum sich Opfer von narzisstischem Missbrauch schwer von ihren Tätern lösen können, obwohl sie unter dem Verhalten leiden. Beide Begriffe beschreiben eine paradoxe emotionale Bindung vom Opfer zum Täter, doch sie unterscheiden sich in ihrer Entstehung und Intensität.


Traumabonding entsteht durch einen wiederholten Zyklus aus emotionalem Missbrauch und anschließender Zuwendung. Narzisstische Täter wechseln gezielt zwischen Idealisierung (Liebe, Aufmerksamkeit) und Abwertung (Kritik, Schweigen, Demütigung). Dieses „heiß-kalt“-Verhalten führt dazu, dass das Opfer emotional abhängig wird. Es klammert sich an die kurzen Phasen der Zuwendung und hofft, dass der Täter sich dauerhaft ändert. Dabei entwickelt sich eine tiefe, oft suchtähnliche Bindung mit hohem Leidensdruck. Opfer verlieren häufig ihr Selbstwertgefühl, beginnen oft durch das Gaslighting des Narzissten an ihrer Wahrnehmung zu zweifeln und glauben, ohne den Täter nicht mehr leben oder existieren zu können.


Häufig entsteht Traumabonding in Situationen, in denen man bereits als Kind vernachlässigt, missbraucht oder anderweitig traumatisiert wurde. Der narzisstische Partner übernimmt später eine Art Stellvertreterrolle als Wiederholungstäter, der die negativen Erfahrungen der Vergangenheit widerspiegelt. Wir erkennen sofort den „Stallgeruch“ und es entsteht eine Vertrautheit mit den schädlichen Mustern der Vergangenheit, die uns bekannt erscheinen. Bei den Traumatisierungen in der Kindheit muss es sich nicht zwingend um offensichtlich katastrophale Ereignisse handeln. Es kann schon reichen, wenn zu Beispiel die Eltern psychisch auf das Kind nicht eingehen können und emotional nicht verfügbar oder unerreichbar für das Kind sind. Diese emotionalen Defizite nutzt ein Narzisst während des Lovebombings. Emotional ausgehungerte Menschen bekommen endlich überschwängliche und scheinbar bedingungslose Liebe, die sie in der Kindheit gebraucht hätten und schmerzhaft vermissen mussten.

 

Im Zusammenhang mit narzisstischem Missbrauch ist Traumabonding deutlich häufiger als das Stockholm-Syndrom. Es erklärt, warum sich Betroffene trotz anhaltender Demütigung, emotionaler Erpressung oder Isolation nicht von ihrem narzisstischen Partner trennen können. Die emotionale Abhängigkeit wird zusätzlich verstärkt durch Schuldgefühle, Scham, Angst vor Einsamkeit oder finanzielle Abhängigkeit. Auch die Hoffnung, dass sich der Täter ändert, hält viele in der Beziehung gefangen.

 

Beide Phänomene haben schwerwiegende Folgen. Opfer leiden häufig unter Angststörungen, Depressionen, Bindungsangst oder komplexer posttraumatischer Belastungsstörung (CPTBS). Die Auflösung dieser destruktiven Bindung erfordert oft professionelle Unterstützung, Aufklärung über narzisstische Missbrauchsmuster und einen behutsamen Heilungsprozess.


Das Stockholm-Syndrom wurde ursprünglich bei Geiseln beobachtet, die während ihrer Gefangenschaft Sympathie oder sogar Loyalität gegenüber ihren Entführern entwickelten.


Der Begriff „Stockholm-Syndrom“ geht auf eine spektakuläre Geiselnahme in Schweden zurück, die sich im August 1973 in einer Bank in Stockholm ereignete.


Was hat sich damals zugetragen?


Am 23. August 1973 betrat der bewaffnete Kriminelle Jan-Erik Olsson die Bankfiliale und eröffnete das Feuer. Dabei rief er: „Die Party hat gerade erst begonnen!“


Er nahm vier Bankangestellte, drei Frauen und einen Mann, als Geiseln. Olsson forderte die Freilassung eines Freundes aus dem Gefängnis – Clark Olofsson, ein ebenfalls bekannter Schwerverbrecher. Die Behörden stimmten zu, und Olofsson wurde tatsächlich zur Bank gebracht.


Die Geiselnahme dauerte insgesamt sechs Tage, während der sich die Geiseln gemeinsam mit den beiden Tätern in einem Tresorraum der Bank aufhielten. Was die Polizei und die Öffentlichkeit jedoch vollkommen überraschte: statt die Täter zu fürchten oder zu hassen, begannen die Geiseln, Sympathie und Verständnis für sie zu entwickeln.


Es kam bei den Geiseln zu unerwarteten Reaktionen. Die Geiseln verteidigten die Täter gegenüber der Polizei und der Presse. Eine Geisel sagte später, sie habe mehr Angst vor der Polizei gehabt als vor den Geiselnehmern. Eine andere soll sogar eine emotionale Bindung zu einem der Täter aufgebaut haben. Nach ihrer Freilassung weigerten sich einige Geiseln, gegen die Täter auszusagen, und hielten später weiterhin Kontakt zu ihnen.


Der schwedische Kriminalpsychologe Nils Bejerot begleitete die Verhandlungen während der Geiselnahme und prägte später den Begriff „Norrmalmstorg-Syndrom“, nach dem Ort der Tat. International setzte sich dann der Begriff „Stockholm-Syndrom“ durch.


Bejerot und spätere Forscher erklärten das Phänomen damit, dass sollte ein Opfer in einer Situation extremer Bedrohung keine Fluchtmöglichkeit haben, es aus einem Überlebensinstinkt heraus beginnt, sich mit dem Täter zu identifizieren. Jede noch so kleine freundliche Geste wird überbewertet, weil sie im Kontrast zur Angst steht. So entsteht eine paradoxe emotionale Bindung.


Seitdem wurde das Stockholm-Syndrom in vielen anderen Kontexten untersucht, z. B. bei:


  • Geiselnahmen

  • Sektenmitgliedern

  • Menschenhandel

  • häuslicher Gewalt

  • narzisstischem Missbrauch


In missbräuchlichen Beziehungen kann das Opfer ähnlich reagieren. Statt den Täter zu verlassen, verteidigt es ihn, oft aus Angst, Hoffnung oder psychischer Abhängigkeit.

Inzwischen wird es auch auf andere Macht- und Missbrauchsverhältnisse übertragen, etwa bei Partnerschaften mit extremem psychischem Druck.


Im Gegensatz zum Traumabonding basiert das Stockholm-Syndrom eher auf kurzfristigen psychischen Schutzmechanismen. Das Opfer beginnt, die Sichtweise des Täters zu übernehmen, um sich emotional zu stabilisieren und die Situation zu überstehen. Es empfindet kleine Gesten des Täters, wie vermeintliche Rücksicht oder „Milde“, als Beweise von Menschlichkeit, was paradoxerweise zu einer emotionalen Verbundenheit führt.


Das Stockholm-Syndrom zeigt, wie extrem der menschliche Geist auf Bedrohung und Ohnmacht reagieren kann. Was ursprünglich ein psychologisches Überlebensmuster war, wird heute auch als Erklärung dafür genutzt, warum viele Opfer in toxischen Beziehungen bleiben, selbst wenn es nach außen hin unverständlich erscheint.


Die Entstehung von Traumabonding und Stockholm-Syndrom im Zusammenhang mit narzisstischem Missbrauch basiert auf einem Zusammenspiel von psychischem Stress, Abhängigkeit und emotionaler Verwirrung.


Traumabonding entwickelt sich schrittweise durch einen wiederkehrenden Zyklus von Missbrauch und scheinbarer Versöhnung. Narzissten wenden typischerweise ein Muster aus „Lovebombing“, also anfänglicher Idealisierung und intensiver Zuwendung, gefolgt von Entwertung, Ignoranz, Kontrolle oder offener Abwertung an. Dieses ständige emotionale Auf und Ab führt beim Opfer zu einer tiefen psychischen Verunsicherung. Die Phasen der Zuneigung werden wie Belohnungen empfunden, während die Abwertung starke Angst und Schmerz auslöst. Das Opfer beginnt, die Kontrolle zurückerlangen zu wollen, indem es sich noch stärker an den Täter bindet, um die „guten Phasen“ wiederherzustellen. Dieses Verhalten ähnelt einer Abhängigkeit, wie man sie von Suchtkrankheiten kennt.


Das Stockholm-Syndrom entsteht häufig unter Bedingungen extremer Machtungleichheit und Bedrohung. In toxischen Beziehungen mit massivem narzisstischem Missbrauch beginnt das Opfer, sich mit dem Täter zu identifizieren, aus einem psychischen Überlebensmechanismus heraus. Kleine Anzeichen von Freundlichkeit oder Mitleid werden überhöht wahrgenommen, weil sie innerhalb der ansonsten feindlichen Umgebung als „Sicherheit“ erscheinen. Das Opfer kann die Realität verzerrt wahrnehmen und glaubt, der Täter sei eigentlich „nicht so schlimm“ oder sogar „der Einzige, der es versteht“.


In beiden Fällen liegt eine tiefe emotionale Verwirrung vor, die durch Manipulation, Kontrolle, Isolation und psychischen Stress verstärkt wird. Die Opfer verlieren oft den Zugang zu ihrer Intuition und vertrauen mehr auf die Interpretation des Täters als auf ihr eigenes Gefühl.


Während Traumabonding auf verschiedene Manipulationstechniken des Narzissten zurückzuführen ist, handelt es sich beim Stockholm Syndrom um eine komplexe psychologische Reaktion auf eine missbräuchliche Situation. Traumabonding basiert auf einer tiefgreifenden psychologischen Abhängigkeit von einer narzisstischen Person, während das Stockholm Syndrom eine Art Schutzmechanismus darstellt, um das Überleben in einer missbräuchlichen Situation zu sichern.


Welche Auswirkungen hat das auf die Opfer narzisstischen Missbrauchs?


Die psychischen und physischen Auswirkungen von narzisstischem Missbrauch in Verbindung mit Traumabonding oder Stockholm-Syndrom können gravierend sein. Zu den häufigsten Folgen gehören:


  • Emotionale Abhängigkeit: Opfer fühlen sich unfähig, sich vom Täter zu trennen, trotz Leid, Angst oder Selbstverlust.


  • Gestörtes Selbstwertgefühl: Durch ständige Kritik, Gaslighting und Abwertung verlieren Betroffene den Glauben an sich selbst.


  • Chronische Schuld- und Schamgefühle: Opfer glauben oft, selbst verantwortlich für den Missbrauch zu sein.

 

  • Komplexe posttraumatische Belastungsstörung (CPTBS): Betroffene leiden unter Flashbacks, emotionaler Taubheit, Übererregung und innerer Zerrissenheit.

 

  • Angststörungen und Depressionen: Anhaltender psychischer Stress kann zu innerer Leere, Antriebslosigkeit und sozialem Rückzug führen.

 

  • Bindungs- und Vertrauensprobleme: Nach dem Erleben solcher Beziehungen fällt es vielen schwer, gesunde Beziehungen aufzubauen oder Nähe zuzulassen.

 

  • Kognitive Dissonanz: Das Opfer versucht, widersprüchliche Erfahrungen (Liebe vs. Missbrauch) zu vereinen, was zu innerer Zerrissenheit führt.

 

  • Soziale Isolation: Narzissten isolieren ihre Partner häufig von Freunden oder Familie, was die Abhängigkeit verstärkt.

 

  • Verzerrte Realität: Durch ständiges Gaslighting kann das Opfer beginnen, die Realität infrage zu stellen, inklusive der eigenen Erinnerungen und Wahrnehmungen.

 

Die langfristigen Folgen können das gesamte Leben der Betroffenen prägen.  Die Betroffenen mögen sich zwar bewusst sein, dass die Beziehung schädlich ist, dennoch ist es ihnen nur schwer möglich sich von ihr zu lösen.


Im Durchschnitt braucht ein Mensch sieben Versuche, um sich von einem narzisstischen Partner trennen zu können. Viele benötigen therapeutische Unterstützung, um die Beziehungsmuster zu verstehen, sich vom Täter zu lösen und ein gesundes Selbstbild wiederherzustellen.


 
 
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