Pathologischer Narzissmus- Definition und Erscheinungsformen
- sattleringrid
- vor 7 Tagen
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Aktualisiert: vor 10 Stunden
Bei der narzisstischen Persönlichkeit handelt es sich generell um eine schwere Persönlichkeitsstörung, welche durch ein pathologisches Größenselbst gekennzeichnet ist.
Idealisierte Aspekte des eigenen Selbst, aber auch idealisierte Aspekte der anderen werden von den Betroffenen auf sich selbst bezogen. Im Gegenzug werden alle negativen und entwertenden Aspekte nach außen projiziert und somit Menschen mit einer narzisstischen Persönlichkeit mit einem Gefühl einmaliger Grandiosität sich selbst und dem Leben gegenüberstehen.
Die Sucht bewundert zu werden, steht im Vordergrund. Menschen mit einer stark ausgeprägten narzisstischen Persönlichkeit brauchen keine Liebe, sie brauchen Bewunderung. Wird ihnen diese Bewunderung vorenthalten, laufen sie Gefahr, dass ihr großartiges Selbst in sich zusammenbricht und ihre Grandiosität verwandelt sich plötzlich in Unsicherheit und in ein Gefühl von Minderwertigkeit.
Beziehungen werden durch ihre emotionale Oberflächlichkeit beeinträchtigt. Ihr enormer bewusster oder unbewusster Neid führt zu Entwertung anderer. Narzissten fehlt die Fähigkeit zur Empathie.
Röhr beschreibt Menschen mit der Problematik einer narzisstischen Persönlichkeitsstörung gequält von einem Gefühl der inneren Leere. Sie fühlen sich unfrei, wie in einem inneren Gefängnis lebend. In ihrer Verzweiflung versuchen sie mit unpassenden Mitteln ihr Problem zu lösen. Verzweifelt entwickeln sie sehr viel Energie dafür sich selbst zu finden und zu verwirklichen. Dadurch wird ihr Gefühl der Unfreiheit noch vergrößert.
Haben sich narzisstische Anteile krankhaft entwickelt, werden selbst Therapeuten an ihre Grenzen gebracht und in Verzweiflung getrieben. Bösartiger oder maligner Narzissmus steht durch seine Gefühlskälte und menschenverachtende Haltung schlechthin für das „Böse“.
Narzisstische Persönlichkeitsstörung nach DSM-5
Im DSM-5 wurden zehn verschiedene Persönlichkeitsstörungen beschrieben, welche in drei Cluster unterteilt sind. Im Cluster B findet sich neben der antisozialen, der borderline und der histrionischen Persönlichkeitsstörung, auch die narzisstische.
Nach den Diagnosekriterien des DSM-5 zeichnet sich die narzisstische Persönlichkeitsstörung durch ein, in Fantasie und Verhalten, durchgehendes Muster von Großartigkeit, in Verbindung mit einem übertriebenen Bedürfnis nach Bewunderung bei gleichzeitigem Mangel an Empathie.
Zur Diagnosefindung müssen mindestens fünf der folgenden Kriterien erfüllt sein:
Übertriebenes Gefühl von Grandiosität und Überlegenheit mit dem Verlangen, als besonders oder als überlegen anerkannt zu werden, ohne entsprechender Leistung.
Größenfantasien von grenzenlosem Erfolg, Macht, Glanz, Schönheit und idealer Liebe.
Die eigene Überzeugung besonders und einzigartig zu sein und nur von besonderen Personen mit höherem Status oder besonderen Institutionen verstanden zu werden.
Ausgeprägtes Bedürfnis nach übermäßiger Bewunderung
Anspruchshaltung auf besondere Behandlung
Ausnutzen zwischenmenschlicher Beziehungen zur Erreichung der eigenen Ziele
Mangel an Empathie und keine Bereitschaft sich mit dem Gefühlsleben anderer auseinanderzusetzen.
Neidgefühle auf andere mit der Überzeugung beneidet zu werden
Arroganz, Überheblichkeit und Entwertung anderer
Weitere typische Merkmale einer narzisstischen Persönlichkeit können ein labiles Selbst, übertriebene Kränkbarkeit und Verletzlichkeit, Gefühl der inneren Leere, Fremdheitsgefühl, Ziel- und Planlosigkeit, Gefühl der Minderwertigkeit, Selbstzweifel, Selbstunsicherheit, narzisstische Rückzüge und antisoziales Verhalten wie z.B. notorisches Lügen sein.
Erscheinungsformen von Narzissmus
Männer so wie Frauen können von dieser Persönlichkeitsstörung betroffen sein. Durch die Unterschiede in der Sozialisation der Geschlechter, zeigt sich die Störung sehr häufig in gegensätzlicher Weise. Männer tendieren dazu, sich gefühlsmäßig abzukapseln, Frauen jedoch haben das Bestreben, mit dem anderen „verschmelzen“ zu wollen.
Die narzisstische Persönlichkeitsstörung hat viele Ausdrucksformen, Symptome und Facetten. Der Grad der Störung ist unterschiedlich. Leichte Formen beinhalten eine gestörte Selbstliebe, die im Alltag nicht erkennbar sein muss. Sie kann auch schlimmste krankhafte Veränderungen des Charakters beinhalten.
Menschen mit dieser Persönlichkeitsstörung entwickeln physische und psychische Symptome. Vor allem finden sich große Probleme im zwischenmenschlichen Bereich. Es scheint oft, dass Betroffene unter dieser Störung keinen Leidensdruck verspüren. Allzu oft findet sich das Leid bei ihren Mitmenschen.
Offener vs. verdeckter Narzissmus
Narzissmus unterscheidet sich in seinen Erscheinungsformen durch grandiose und vulnerable Aspekte. Selbstregulatorische Prozesse dienen dazu ein gewünschtes Selbst aufbauen zu können. Das narzisstische Konzept der Selbst-Regulation beinhaltet ein grandioses Selbstbild.
Dieses Selbstkonzept ist jedoch verletzlich. Die basale empfundene Verletzlichkeit ist auf die nicht erfolgte empathische Spiegelung der zentralen Selbst-Bedürfnisse in der Kindheit zurückzuführen. Diese defizitäre Entwicklung wird durch ein grandioses Selbst überdeckt. Die Grandiosität kann somit wie ein Pflaster auf den alten Wunden der Seele verstanden werden. Die Grandiosität wirkt in ihrem Selbst-Konzept kompensatorisch und führt zu drei Prävalenztypen der narzisstischen Persönlichkeitsstörung:
Grandios-maligne
Vulnerabel-fragile
Exhibitionistisch mit hohem Funktionsniveau
In unterschiedlichen Untersuchungen werden die Subtypen auch als offener und verdeckter Narzissmus bezeichnet.
Der offene oder auch grandiose Typus zeichnet sich durch Dominanz, Arroganz, Überheblichkeit, Egozentrik, Aggressivität und geringe Empathie aus. Meistens handelt es sich hier um männliche Vertreter. Ihr schwaches Selbst wird von Großspurigkeit überdeckt. Das Gefühl von Selbstzweifel wird nicht zugelassen und auf andere projiziert.
Beim verdeckten oder minderwertig-depressiven, hypervigilanten, vulnerablen Typus handelt es sich um Menschen, die sehr gut zuhören können und sehr schnell Kritik oder Ablehnung empfinden. Sie vermeiden es, im Mittelpunkt zu stehen und sind sehr sensibel. Charakteristische Merkmale sind eine Empfindlichkeit, eine depressive Grundstimmung, Scham und Gehemmtheit. Meist handelt es sich hier um weibliche Vertreter. Diese Menschen vermuten überall Ablehnung, haben übersteigerte Erwartungen an sich, die sie nicht in der Lage sind zu erfüllen und fühlen sich als Versager.
Aspekte der Vulnerabilität beinhaltet das Klagen über einen geringen Selbstwert, eine gewisse Scheu und Scham, Gefühle von Abweisung und Demütigung, die chronisch wahrgenommen werden, so wie hypersensible Reaktionen auf Kritik. Menschen die Aspekte einer Grandiosität in sich tragen, wirken selbstbewusst und verleugnen Gefühle von Scham. Fehlende Empathie, Neid und Anspruchsdenken sind zu finden. Jedoch reagieren auch sie in einem übertriebenen Maße kränkbar.
Kulturelle Erwartungen und Geschlechterrollen sind dafür verantwortlich, wie sich die beiden Reaktionstypen zeigen. Die Entwicklung eines falschen Selbst kann in Bezug auf männliche und weibliche Rollenbilder gesetzt werden.
Männer, die vom grandiosen offenen Typus geprägt sind, streben nach Autonomie und fürchten sich in der Nähe einer Frau selbst verlieren zu können. Bei Frauen dominiert der verdeckte Typus, da sie bestrebt sind, sich in einem Übermaß anzupassen, um dadurch Anerkennung erfahren zu dürfen. Ihre Beziehungen sind geprägt von einer Aufgabe der eigenen Identität und einer symbiotischen Überanpassung. Wobei beide Typen, der offene wie der verdeckte, zu einer wirklichen Anpassung unfähig sind.
Beide Formen des Narzissmus sind mit derselben Grundstörung ausgestattet. Während die weibliche Seite ihre depressiven Anteile auslebt und klammert, vermeidet die männliche Seite Kontakt und lebt ihre grandiosen Anteile aus. Die jeweils gegengesetzten Anteile werden nicht nach außen gezeigt, wobei sich hinter der Fassade der Grandiosität die Depression verbirgt und vice versa die Depression hinter der Grandiosität steckt.
Quellen:
Ermann, M. (2020): Narzissmus. Vom Mythos zur Psychoanalyse des Selbst, 1. Aufl., Stuttgart.
Röhr, H.P. (2012): Narzissmus. Das innere Gefängnis, 13. Aufl., München.
Röhr, H. P. (2012): Vom Glück sich selbst zu lieben. Wege aus Angst und Depression, 10. Aufl., Ostfildern.
Peichl, J. (2015) Narzisstische Verletzungen der Seele heilen,1. Aufl., Stuttgart
